Warum Content Marketing nicht in eine Kostenrechnung passt. Man es trotzdem machen sollte. Ein Interview mit Thomas Peham.
Vor 6 Monaten wechselte Thomas Peham von der Styria zum österreichischen Startup Usersnap. Thomas hat’s in kurzer Zeit geschafft, durch geschicktes Content Marketing die (internationale) Reichweite von Usersnap deutlich zu erhöhen. Ich hatte schon mehrfach überlegt, darüber zu berichten. Nach diesem Tweet konnte ich nicht mehr anders, als ihn um ein Interview zu bitten:
When your content starts to fly. ? #HappeningNow pic.twitter.com/Plh3hdTvtz
— Thomas Peham (@tompeham) 27. Mai 2015
Lieber Thomas, dein Jobtitle lautet “Marketing Manager @Usersnap”. Wenn man dir auf Twitter folgt, hat man den Eindruck, Content Marketing spielt die dominierende Rolle? Was erhofft ihr als Startup euch davon?
Ja, stimmt. Content Marketing spielt eine zentrale Rolle bei Usersnap. Bei sämtlichen Aktivitäten stellen wir uns die Frage: “Würde unsere Buyer Persona den Blogpost/das eBook/die Landing Page spannend/informativ/emotional ansprechend finden?“ Am Ende des Tages sind 2 Kennzahlen entscheidend: 1) Sign-ups (also wie viele Personen registrieren sich für einen Produkttest). Und 2) Neukunden.
Beide Kennzahlen sind derzeit mittels unterschiedlichsten Content Marketing Aktivitäten (wie etwa Blogging, Newsletter aber auch mit einer vor kurzem gelaunchten Interview Seite) effektiver zu erreichen, als mittels anderer Marketing Maßnahmen.
Wir wissen aber auch, dass nur in den seltensten Fällen ein direkter Kaufabschluss auf eine einzige (Content Marketing) Aktivität zurückzuführen ist. Die User Journey ist wesentlich komplexer geworden – deshalb versuchen wir, möglichst viele Touchpoints mit unserer Zielgruppe zu etablieren.
Eines der großen Projekte zum Start war, den Blog strategisch neu auszurichten. Du hast mir in Vorgesprächen verraten, dass ihr eure Reichweite damit um ein Vielfaches steigern konntet. Im Ranking von Blogheimat seid ihr auf Platz 1 vorgeklettert. Wie ist euch das gelungen? Kannst du uns Zahlen nennen?
Die Neuausrichtung unseres Blogs ging mit unserer Marketing-Strategie einher. Wir haben Ende letzten Jahres einige Experimente gestartet und gesehen, dass es Dinge gibt, welche weniger gut funktioniert haben, wie z.B. Paid Traffic Kampagnen, also klassische Online-Werbung.
Das liegt auch zum Teil daran, dass der Bedarf für unser Produkt sehr anlassbezogen ist. Ist dieser Anlass in unserer Zielgruppe nicht gegeben, sind Promotions oder Discounts wenig effizient. Wir haben deshalb beschlossen, Reichweite verstärkt über informativen Content aufzubauen, um uns als eine der ersten Anlaufstellen zum Thema Web Entwicklung zu positionieren.
An den Zahlen gemessen funktioniert das schon ganz gut. Auf Platz 1 bei blogheimat.at zu sein, hat uns sehr gefreut, da wir doch ein relativ starkes Nischenthema in Österreich besetzen. Andererseits ist unser Fokus ganz klar international ausgerichtet, weshalb wir primär auch die englisch-sprachigen Länder bearbeiten.
Wir hatten im Monat Mai in Summe 34.000 Unique User auf unseren 3 wichtigsten Kanälen: Website, Blog und bugtrackers.io, wobei alle 3 Seiten stetig wachsen.
Vor allem letztere Plattform ist vor kurzem als „Content Marketing Experiment“ gestartet worden und zeigt seit Launch – Mitte April – tolle Zugriffe + Feedback aus der Branche. Mit bugtrackers.io wollten wir eine Plattform schaffen, welche einerseits non-branded Content zum Thema „Bug Tracking“ präsentiert. Andererseits bietet es uns die Gelegenheit, anhand von Interviews mit „Tech People“ ein Thema zu besetzen.
Ihr experimentiert auch immer wieder mit Guest Blogging, einem der „Erfolgsgeheimnisse” von Buffer. Welche Erfahrungen habt ihr damit gemacht?
Für Startups mit wenig Marketing Budget ist es schwierig, eigene Inhalte auf externen Kanälen zu positionieren. Guest Blogging ist eine gute Option. Anhand der Zahlen wissen wir aber auch, dass Guest Blogging nicht zu den wichtigsten Growth-Treibern zählt – es ist vielmehr ein wichtiges Branding Thema für uns.
Wir haben Anfang des Jahres einige Guest Posts auf Seiten von Kunden, Partnern und Startup-Organisationen publiziert. Dabei war es uns vor allem wichtig, dass wir bestimmte Themen (wie z.B. das Thema Website Testing) auf größeren Blogs positionieren und das Thema mit Usersnap besetzen. Mit dieser Referenz bin ich anschließend zu größeren Industrie-Blogs (in unserem Fall Blogs im Bereich des Onlinemarketing + Webentwicklung: semrush.com & scotch.io) gegangen. Neben des tollen Branding-Effekts wurden einzelne Themen dann auch von anderen großen Blogs – wie etwa t3n – aufgegriffen.
Das hat uns immens gefreut, zeigt aber zugleich auch die Problematik von Content Marketing auf. Derartige Aktivitäten sind im Voraus schwierig zu kalkulieren. Content Marketing lässt sich deshalb im Voraus nicht in eine Kosten-Nutzen-Rechnung packen. Eine nachhergehende Erfolgskontrolle ist essentiell, um aus den durchgeführten Aktionen zu lernen.
Neben dem Bloggen habt ihr in den letzten Monaten auch intensiv mit anderen Content Marketing Methoden experimentiert, z.B. mit “message placement” auf reddit, quora etc. Wird das nicht als Spam empfunden?
Das ist ein gutes Thema. Quora und reddit sind sehr wichtige Traffic-Treiber für uns.
Ich bin selbst sehr viel auf Quora unterwegs, da Quora mittlerweile nach organic, der am besten funktionierende Kanal – gemessen an der Anzahl an Sign-ups – ist. Auf Quora aber auch für reddit und hacker news gilt: verkaufe niemals dein Produkt, sondern eine Lösung. Das Tolle an Quora ist, dass Menschen aktiv Fragen stellen und Antworten auf ihre Probleme suchen. Je besser du diese Probleme lösen kannst, umso mehr Sichtbarkeit erhält deine Lösung.
Und natürlich ist Transparenz das A&O. Die Verwendung deines echten Namens + eines Disclaimers für welche Firma du arbeitest sind essentiell um glaubhaft zu bleiben. Alles andere wird schnell als Spam eingestuft.
Produziert ihr den Content vollständig inhouse oder lagert ihr manche Sachen aus?
Derzeit wird 90% unseres Contents inhouse produziert. Einen kleinen Teil lagern wir an Technical Writers aus. Content Marketing ist eine ganzheitliche Unternehmensstrategie für uns. Das endet oftmals in spontanen & lustigen Brainstorming Sessions mit neuen Content Ideen :)
Kurz nachdem ich bei Usersnap angefangen habe, hat mich etwa ein Entwickler aufmerksam gemacht, dass Firefox einen eigenen, neuen Browser speziell für Entwickler veröffentlicht hat. Ich hab das Thema kurzerhand aufgegriffen und gemeinsam mit ihm einen Blogpost verfasst. Schlussendlich hat es der Post auf opensource.com – einer der größten Open Source Communities – geschafft.
Wie viele Ressourcen investiert ihr in eure (Content) Marketing Aktivitäten? Wie viel Aufwand ist der Blog?
Beinahe 100% meiner Ressourcen fließen in unsere Content Marketing Maßnahmen zur Leadgenerierung ein. Offiziell bin ich der einzige Marketing Mitarbeiter bei Usersnap, aber wie gesagt: wir alle haben eine Content Perspektive.
Ein klassisches Mediabudget in diesem Sinne haben wir nicht. Vereinzelt gibt es bezahlte Beiträge auf Facebook, LinkedIn und Twitter, um unsere Blogposts bzw. Interviews zu streuen.
Neben euren Erfolgsbeispielen gibt’s bestimmt auch Dinge, die in den letzten Monaten nicht so gut funktioniert haben oder?
Ja, die gibt es. Paid Traffic – konkret Google Adwords – ist ein schwieriges Thema. In unserem Fall war es zwar ein wichtiger Traffic Treiber, nach einiger Zeit haben wir jedoch festgestellt, dass es die Qualität der Leads (also der Personen welche sich kostenlos zu einem Test anmelden) unterdurchschnittlich ist und somit die Acquisition Cost pro Neukunde sehr hoch ist.
Schwierig finde ich auch das Thema Facebook. Unser Fokus liegt in der nächsten Zeit zunehmend auf Twitter und LinkedIn.
Abschließend: Welche Tipps würdest du Startups und kleinen Unternehmen geben – was braucht’s für gutes Content Marketing?
Meiner Ansicht nach ist Content Marketing ein wichtigstes Instrument in der Neukundengewinnung für Startups. Vor allem im B2B Bereich ermöglicht es Startups, ein bestimmtes Thema zu besetzen und einen Expertenstatus aufzubauen.
Ressourcentechnisch sollte man Content Marketing nicht unterschätzen, denn neben der Content Produktion selbst, gibt es eine Vielzahl an Themen – wie etwa das richtige Seeding oder auch den Aufbau von Beziehungen mit anderen Influencern – welche nicht vergessen werden dürfen.
Ich bin vor kurzem auf diesen Artikel gestoßen, welcher die Content Marketing Reise für Startup erklärt. Wir haben da selbst auch noch nicht den Plafond erreicht, befinden uns jedoch gerade auf einer schönen Growth Welle :)